Abhängigkeiten

Blaue Wäscheleine in Schlingen und verknotet, schneebeladen, vor orangem Hintergrund

Als sich die Auf­zugs­tür öff­ne­te und ich, wie jeden Mor­gen, ver­schla­fen die Kabi­ne betre­ten woll­te, blieb ich statt­des­sen ver­dutzt ste­hen und war auf ein­mal hell­wach. Im Auf­zug waren vier Waschbären.

Nein nur drei: einer betrach­te­te sich im Spie­gel; ich hat­te ihn dop­pelt gezählt. Ein ande­rer hock­te auf dem Sitz, auf den ich mei­ne schwe­re Ein­kaufs­ta­sche stell­te, wenn ich eine hat­te. Der drit­te stand auf den Hin­ter­bei­nen, zu mir gewandt, und hielt sich an der Stan­ge fest.

Ich hät­te auch ger­ne eine Stan­ge zum Fest­hal­ten gehabt. Wasch­bä­ren? Ich starr­te in den Auf­zug hin­ein, sie starr­ten her­aus. Sie mach­ten kei­ner­lei Anstal­ten, aus­zu­stei­gen, was mir auch ganz recht war. Der Wasch­bär an der Stan­ge reck­te sich zum Stock­werk-Anzei­ger hoch. Sei­ne Pfo­te reich­te aber nur bis zur 3, und im drit­ten Stock waren sie ja schon ange­kom­men. Plötz­lich hüpf­te er, und drück­te auf das “D”. Die Flä­che leuch­te­te auf, die Auf­zugs­tür schloss sich. Die Wasch­bä­ren fuh­ren los, zum Dachboden.

Dort hat­te ich ges­tern mei­ne Wäsche zum Trock­nen auf­ge­hängt. Dar­un­ter der blaue Bett­be­zug, den ich mir ganz neu gekauft hat­te. Was woll­ten die Wasch­bä­ren auf dem Dach­bo­den? Ich wuss­te wenig über die­se Tie­re. Neu­lich hat­te ich eine Notiz gele­sen, dass sie sich in Städ­ten ver­brei­te­ten und dabei geschickt und krea­tiv vor­gin­gen. Das konn­te ich jetzt bestä­ti­gen. War­um hie­ßen sie eigent­lich Wasch­bä­ren? Mei­ne Wasch­ma­schi­ne stand auch auf dem Dachboden.

Ich drück­te, der Auf­zug kam zu mir zurück. Leer. Ein stren­ger Geruch haf­te­te ihm an, sodass ich wohl nicht geträumt hat­te. Jetzt hät­te ich eigent­lich zur Arbeit fah­ren müs­sen. Statt­des­sen drück­te auch ich auf das D.

Oben ange­kom­men sah ich gera­de noch einen Zip­fel mei­nes Bett­be­zugs in der offe­nen Tür zur Kam­mer von Frau Jäger ver­schwin­den. Ich hin­ter­her. Frau Jäger hat­te, genau wie ich, eine Kam­mer von 8 m² als Abstell­raum. Aber sie hat­te noch mehr, näm­lich, hoch oben, eine Dach­lu­ke, die die Wasch­bä­ren irgend­wie erreicht hat­ten. Einer sprang auf den Griff des Kipp­fens­ters und öff­ne­te es, die ande­ren bei­den woll­ten mei­nen Bett­be­zug aufs Dach schlei­fen. Ich pack­te den her­ab­hän­gen­den Stoff, aber die Wasch­bä­ren waren stär­ker, sodass mei­ne Füße den Boden ver­lie­ßen und ich Rich­tung Dach­lu­ke schwebte.

“Hil­fe!” rief ich, und sofort ant­wor­te­te der Haus­meis­ter, Herr Pospi­schil : “Ich komme!” 

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