Radikales Infragestellen von Arbeitsstrukturen und die bewegende Geschichte eines roten Briefes … die Briefträgerin mit den gloriosen Ideen hat es in sich! Aus der Rezension von Gert Uwe Postel, Zahnarzt, Amtsarzt und erfolgreicher Hochstapler
Leseprobe:
Um den Einstieg in die Verrentung sanft zu gestalten, hat unsere Briefträgerin einen neuen Arbeitsmodus eingeführt: “Kürzertreten!”. Mittwoch und Samstag trägt sie die Briefe und Päckchen nicht wie gewohnt aus, sondern nur bis in ihre Wohnung; und wir können sie dort abholen. “Jahrelang habe ich euch besucht, jetzt machen wir es mal umgekehrt.” Ursprünglich hatte sie in ihrem Flur einen Empfangsbereich eingerichtet, wo sie jede Person begrüßt und ihr die Sendungen überreicht hat. Mittlerweile liegt sie auf dem Sofa und deutet nur noch auf den Stapel, in dem sich das Gewünschte befindet. “Ich gewöhne mich immer besser an meine Rentenzeit”, meint sie.
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Denkanstöße im Treppenhaus … von der freundlich-listigen Möglichkeit, einen Streit zu schlichten, bevor er begonnen hat Aus der Rezension von Laura Parola, zukünftige berühmte Preisträgerin, die auch schon oft verwechselt wurde
Leseprobe:
Vor meiner Wohnungstür tut sich etwas. Ich höre Stimmen. Da stimmt was nicht. Ich wollte gerade einkaufen gehen, habe die Schuhe schon an, die Jacke auch und den Rucksack voller leerer Flaschen auf dem Rücken. Jetzt traue ich mich nicht, raus zu gehen. Ein Blick durch den Spion zeigt mir den Nachbarn von oben, Herrn Konf, mit dem Rücken zu mir, im Gespräch mit den neuen Nachbarn gegenüber, die vorige Woche eingezogen sind, und deutlich kleiner sind als er.
“Die Schuhe …”, beginnt Herr Konf. Circa 10 Paar Schuhe vor der Tür der Zabadanis sind im Treppenhaus der einzige Hinweis darauf, dass hinter den Türen Menschen leben. Aber schon das kann zu viel sein.
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Brilliant! Charakterstärke im Angesicht des Jobcenters und ein ideenreicher, geschmeidiger Umgang mit den Herausforderungen der Arbeitslosigkeit führen zu einer bezaubernden Begegnung.
Aus der Rezension von Monika Anonima, heimliche Anwärterin auf den Literaturnovelpreis 2024
Leseprobe:
Das größte Hindernis für mein heimliches, glückliches Genie-Dasein ist aber Frau Krage, die jetzt im Jobcenter für mich zuständig ist. Ein Klumpen im Pudding. Sie verdonnert mich zu der Fortbildung: “Die Professionelle Bewerbung”. “Und dann zacki!”, sagt sie. “Jede Woche zwei Bewerbungen.” Ich erzähle ihr nicht, dass ich bisher noch nie eine Bewerbung geschrieben habe, weil alle meine Jobs auf anderen Wegen zu mir gekommen sind. Ich versuche aber, zu begründen, warum diese Fortbildung für mich nichts bringen wird.
“Es ist wie bei den Bäumen”, erkläre ich. “Es gibt immergrüne und solche, die mit den Jahreszeiten gehen. Ich gehöre zu den letzteren. Und jetzt, im Dezember, sieht es deshalb kahl aus bei mir, aber innerlich bilden sich die neuen Knospen. Sie brauchen ihre Ruhezeit, und dürfen nicht gestört werden, damit sie im Frühling, ganz von alleine, aufblühen können.” Frau Krage mustert mich unwirsch, dann sagt sie mit einem diabolischen Grinsen: “Ruhezeit? Okay, dann haben Sie aber auch einen verringerten Nährstoffbedarf. Wenn Sie sich nicht zur Fortbildung anmelden, lasse ich Ihre Bezüge kürzen, ist das klar?”
Eine einfühlsame Begegnung, voller Sehnsucht und Ambitionen! Ich könnte mich in das Pferd sofort verlieben — und in die Protagonistin auch! Aus der Rezension von Laura Stute, Pferdepsychologin und beliebte Moderatorin auf hypothetischen Kongressen
Leseprobe: Auf der Straße kommt mir ein Pferd entgegen. Allein. Ohne Sattel. Ein nacktes Pferd. Es bleibt stehen und hält seine Schnauze an den Flieder, schnuppert an den lila Blüten, schnaubt und geht weiter. Es ist April und warm, ein ruhiger Nachmittag, niemand ist auf der Straße, nur die Hufe klappern auf dem Asphalt, der Pferdeschwanz schlägt, und die Fliegen, die mal reiten wollten, werden links und rechts verjagt und taumeln in der Luft herum. Ich denke an die Frau meines Lebens, und dass heute der richtige Tag wäre, um sie kennen zu lernen. So ein sonniger Frühlingstag, an dem die Bienen goldene Hosen aus Blütenstaub tragen und die Maulwürfe nach dem nächtlichen Regen in der warmen Erde gut voran kommen. Das Pferd ist vielleicht ein Zeichen. So ein Glückspferd sollte ich nicht aus den Augen lassen. Ich wende mein Fahrrad und folge ihm.
Die Geschichte “Lattenrost” gibt es jetzt als Heft.
“Eine bezaubernde Geschichte! Ich konnte das Heft nicht aus der Hand legen, bis ich auch das letzte Wort noch gelesen hatte. Tauchen Sie ein in die Welt von “Lattenrost”, und Sie werden jeden Sperrmüllhaufen mit veränderten Augen betrachten.“ Aus der Rezension von Rosa Ligusta, beinah Literaturpreisträgerin des Jahres 2007
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Audio der Geschichte:
Leseprobe:
Lattenrost
Abends gehe ich gerne durch die Straßen spazieren, und manchmal stoße ich dabei auf einen Sperrmüllhaufen. Das Wort Sperrmüll ist geprägt von seinen beiden Doppelkonsonanten. Ein widerspenstiges Sperr prallt auf das weiche, etwas melancholische Müll, das von Abscheu belagert ist. Sperrmüll ist im direkten Sinne des Wortes unheimlich. Das, was im Heim war, soll jetzt weg. Es tritt aber vorher noch einmal groß in Erscheinung, gehäuft und öffentlich ausgestellt.
Ich mag Sperrmüllhaufen. Ich habe dort schon einige Möbelstücke für meine Wohnung gefunden. Jetzt bin ich ganz gut eingerichtet, und brauche nichts mehr. Trotzdem steuere ich jeden Sperrmüllhaufen voller Vorfreude an und betrachte die Dinge, deren Schicksal es ist, am nächsten Morgen in der Presse des Sperrmüllwagens zerquetscht zu werden, wenn sie nicht im Verlauf der Nacht doch noch gerettet werden.
Auch heute Abend treffe ich auf einen Sperrmüllhaufen und bin dabei, mir verschiedene Dinge anzugucken, als ich durch den Ruf: “Das ist ja wohl die Höhe!” unterbrochen werde. Ich hebe den Kopf. “Sie, ja, genau Sie meine ich!” Verwirrt sehe ich mich um. Aus einem Fenster im Erdgeschoss lehnt sich ein Mann, offensichtlich verärgert.
“Hab ich Sie erwischt!”, schreit er. “Wobei? Das ist doch ein Sperrmüllhaufen, oder?” “Ja, aber nicht Ihrer!” “Ich will auch gar nichts davon!” Ich schiebe den Lattenrost, den ich mir genauer ansehen wollte, wieder hinter den Schrank, aber jetzt wird der Mann erst richtig wütend. Er spuckt mehrere Schimpfwörter aus und seine Stimme überschlägt sich, sodass ich nichts verstehen kann. Ich wende mich zum Gehen, da schreit er noch lauter. “Nehmen Sie das gefälligst wieder mit!”
“Den Lattenrost? Der stand hier schon.” “Ich zeig Sie an”, schreit er. “Gleich ruf ich die Polizei!” Jetzt erscheint eine Frau am Balkon vom Haus gegenüber: “Was ist denn hier los?” “Der Lattenrost gehört mir nicht”, erkläre ich. “Nehmen Sie ihn ruhig mit”, meint die Frau. “Auf dem Sperrmüll ist doch wie weg geworfen.”
Wenn mein PC abstürzt und sich danach nicht mehr rührt, so wie jetzt, ausgerechnet als ich endlich meine Steuererklärung machen will, dann bleibe ich ganz ruhig. Ich habe ja Philo. Den rufe ich an, der kommt innerhalb von zwei Tagen, hockt sich vor das Gerät und bleibt so lange, bis es repariert ist. Wenn’s länger dauert, legt er sich zwischendurch auf’s Sofa. Seine langen Beine ragen dann einen halben Meter über die Armlehne hinaus, und er kann in dieser Position erstaunlich gut schlafen. Aber Philo hat sein Handy ausgeschaltet. Das ist noch nie passiert. Was ist los mit ihm? Ich hoffe, er macht keine digitale Diät. Ich weiß eigentlich nicht viel über ihn. Ich habe ihn kennengelernt, als sein Ladekabel den letzten Halt in der Jackentasche verlor und auf die Straße fiel. Ich hob es auf und rief ihm nach. Er sah mich erst misstrauisch an, aber als er sein Kabel erkannte, lächelte er. “Danke!” Er holte aus seinem Portemonnaie eine Visitenkarte und drückte sie mir in die Hand. “Linux”, stand darauf, und eine Handynummer. “Äh, heißt du so?” “Leider nicht”, meinte er. Als er dann das erste Mal da war, habe ich ihn nach seinem Namen gefragt. Er seufzte. “Philo. Meine Eltern hatten ein Rendevouz im Botanischen Garten. Und unter dem Philodendron haben sie sich das erste Mal geküssst.” Er sah unglücklich aus. “Da kannst du ja froh sein, meinte ich, dass es nicht bei der Kamelie war. Oder beim Bambus. Dann hätten sie dich womöglich Bambi genannt.” Er sah mich erstaunt an. “Du hast es geschafft. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich für meinen Namen dankbar.“ Das war unser einziges richtiges Gespräch. Er macht mir einen besonders günstigen Preis, ich weiß aber nicht, ob wegen dem Kabel oder dem Namenshinweis. Die Visitenkarte habe ich noch. Auf der Rückseite steht eine Adresse. Ich beschließe, hinzufahren. Es ist eine kleine Straße, Sackgasse, die Nummer 37 ganz am Ende. Ein Wohnhaus aus roten Ziegelsteinen. Auf einem Klingelschild steht Linux. Ob das Philos Büro ist? Ich klingle und sofort ertönt ein Summton, mit dem sich die Haustür öffnet. Im dritten Stock steht Philo in der geöffneten Wohnungstür, im Pyjama. Es scheint ihm aber nicht peinlich zu sein. “Äh, Entschuldigung. Ich habe dich telefonisch nicht erreicht …” “Komm rein!” Ich folge ihm in die Küche. Auf dem Tisch liegen Bücher, Haarspangen, zwei Scharniere und eine Plastiktüte mit Reis. Eine Kerze brennt, daneben steht ein Kaffeebecher. Philo nimmt ihn und trinkt. “Willst du auch einen?“ Ich schüttle den Kopf, räuspere mich. “Sorry, dass ich dich störe. Ich wollte nur fragen, ob du meinen PC reparieren könntest.” Philo zuckt zusammen und sieht traurig aus. Er nimmt die Reistüte, hält sie vorsichtig wie ein Baby, kippt sie von einer Seite zur anderen. Der Reis rieselt, etwas Schwarzes kommt darunter zum Vorschein. “Wasserschaden. Es muss trocknen”, sagt er. “24 Stunden lang.” Er starrt betrübt auf die Tüte. “Dein Handy? Tut mir Leid.”
Es schlaucht. Dieser Ausdruck entstand wahrscheinlich in einer Bahnhofs-Unterführung. Von allen Bahnsteigen strömen Menschen die Treppen hinunter in den Schlauch hinein. Es ist eng und stickig, zu viele Gerüche, alle Fenster zeigen nur Geschäfte, keine Aussicht. Aber nach einer Zugfahrt gibt es keine andere Möglichkeit, als diesen trostlosen Ort zu durchqueren, um ins Freie zu kommen. Ich habe es fast bis zum Ausgang geschafft, als etwas Massives dröhnt und rattert und auf mich zu kommt. Es ist eine orange Maschine mit Bürstenfüßen — und mittendrin ein bekanntes Gesicht. Einen Moment später kann ich es zuordnen. Es gehört Mahmud aus dem Gartenverein. Wenn er oder seine Frau an meiner Parzelle vorbei kommen, unterhalten wir uns manchmal, über Schnecken, Hagebutten oder die beste Art, Kartoffeln zu setzen. Es ist nicht nur die ungewohnte Umgebung, die mir das Erkennen von Mahmud erschwert hat, sondern auch seine grellorange Kleidung und die Tatsache, dass er Teil einer Geräte-Kombination ist. Mahmud schiebt einen riesigen Staubsauber mit breiter Düse und rotierenden Bürsten an der Seite vor sich her und zieht einen Wagen, der brummt und zischt und eine feuchte Spur zurück lässt. Ich könnte jetzt einen Schneckenwitz machen, aber mir ist bei diesem Anblick nicht zum Lachen zumute. Mahmud und Aisha haben mir mal ihren Garten gezeigt. Und als ich das elegante Gartenhaus bewunderte, meinte er: “Selbst gebaut. Das ist mein Beruf. Aber leider, arbeiten kann ich nicht, als Tischler. Nicht anerkannt.” Stattdessen macht er so einen Job. Ich finde es traurig, und mir ist es unangenehm, so als ob ich ihn bei etwas Peinlichem erwischt hätte. Nicht, dass mir das fremd wäre. Ich habe auch schon Putzjobs gemacht. Aber nie so öffentlich. Ich überlege, ob ich so tun soll, als hätte ich ihn nicht gesehen, und finde mich beschämend. Im nächsten Moment entdeckt Mahmud mich und winkt mir: “Hallo!” Er stellt seine Maschine aus. Sie jault auf, schüttelt sich, bleibt schließlich stehen. “Gut dich zu sehen”, sagt er. “Kannst du mir einen Gefallen tun?” “Ja, gerne.” Ich bin erleichtert, dass ihm anscheinend nichts peinlich ist. “Ich muss dringend mit Aisha telefonieren. Hier unten hab ich keinen Empfang. Kannst du mich kurz vertreten?” Ich zögere, nicke aber. Er zieht schon seine Jacke aus, steigt aus der Vorrichtung, die ihn umfangen hält. “Die Jacke musst du anziehen, ist Pflicht. Rucksack kannst du hier unten rein tun. Du fährst einfach weiter, Gang entlang und zurück. Hauptsache, die Maschine bleibt nicht lange stehen, sonst kommt der Kontrolleur.” Schnell schlüpfe ich in die Jacke, und nehme Mahmuds Platz ein. Es gibt keine Möglichkeit, mich hinzusetzen, ich muss mitlaufen, und bin Teil des Antriebs. Ein bisschen mulmig ist mir schon zumute, als ich mir die Gurte umlege und die Halterungen schließe, bis ich fest eingebunden bin. Aber ich sage mir, dass es eine gute Gelegenheit ist, etwas für Mahmud zu tun. Er hat schließlich auch einmal bei mir Rasen gemäht, als ich ihm erzählt habe, dass ich einen Hexenschuss habe. “Fertig?”, fragt Mahmud. Ich nicke, und die Maschine beginnt zu vibrieren, es dröhnt und drängt vorwärts, ich werde mit geschoben und schon bin ich ein vorübergehender Cyborg. Und gefangen in der Unterführung. Ich versuche, mich nicht elend zu fühlen. Für eine Weile werde ich das wohl aushalten. Schließlich muss Mahmud das jeden Tag viele Stunden lang ertragen. Immerhin habe ich jetzt einen Schutzpanzer. Und eine ganz andere Perspektive. Es ist eine eigenartige Erfahrung. Ich bin so auffällig und bekomme keinerlei Beachtung. Die Leute weichen dem Putzgerät aus und sehen mich strikt nicht an. Ich bin quasi unsichtbar. Erst am Ende des Tunnels merke ich, dass ich nicht weiß, wie man diesen Putzomat wendet. Und den Ausstellknopf hat mir Mahmud auch nicht gezeigt. Womöglich muss ich weiter fahren, durch die automatische Schiebetür raus, am Taxistellplatz vorbei und dann über die Kreuzung. Wenn ich da bei Rot drüber fahre, kriege ich womöglich Punkte in Flensburg. Im letzten Moment finde ich einen Hebel und schere zur Seite aus. Diese ziemlich abrupte Bewegung findet nun doch Beachtung, weil ich einigen Leuten den Weg abschneide. Verärgerte Gesichter, Schimpfen über meinen Fahrstil. Ich bahne mir einen Weg quer zur Ausrichtung des Menschenstroms und versuche, wieder in eine Längsbahn einzuscheren. Da sehe ich sie und sie sieht mich: Nelly.