Therapie

gelber Notknopf auf roter Wand, daneben silbern vergittertes Rundes

Mei­ne Freun­din­nen haben mir gera­ten, The­ra­pie zu machen. Wegen mei­ner vie­len All­tags­pro­ble­me. Und nach eini­gem Suchen habe ich tat­säch­lich eine The­ra­peu­tin gefun­den, bei der ich mich wohl füh­le. Sie mag mich. Ich weiß aber nicht, ob sie mich wirk­lich ver­steht.
Ich habe ihr erzählt, dass ich mich nir­gend­wo zuge­hö­rig füh­le. Und sie hat mir vor­ge­schla­gen, ein­mal etwas ganz nor­ma­les zu tun. “Pro­bie­ren Sie es aus und erzäh­len Sie mir in der nächs­ten Stun­de davon. Gehen Sie ins Fit­ness­stu­dio, in die Sau­na, in eine Knei­pe, ins Kino! War­um gehen Sie nicht mal ins Kino?” Ich runz­le die Stirn: “Im Kino war ich schon.” “Und”, meint sie mit einem Anflug von Unge­duld in der Stim­me, “wie war das?” Ich suche nach einem Wort, das nicht ver­let­zend wirkt, da ihr ja am Kino viel gele­gen zu sein scheint. “Schwie­rig”, sage ich schließ­lich.
“Mögen Sie mir beschrei­ben, was so schwie­rig am Kino­be­such war?” “Es pas­siert so viel. Alles ist groß und laut. Schon die Wer­bung … sie zer­drückt alles, was ich bin. Und -” Ich schaue zum Gum­mi­baum. Ein rie­si­ger Gum­mi­baum mit dun­kel­grü­nen, sanf­ten Blät­tern, der eine Ecke des The­ra­pie­zim­mers ganz für sich ein­nimmt. Ich mag die Vor­stel­lung, dass ich eines Tages, wenn ich nicht mehr wei­ter weiß, in die­ser Ecke hin­ter dem Gum­mi­baum ein Nest baue und mich dort ein­rol­le wie ein ver­letz­tes Tier.
Ich seuf­ze. “Beim Film­gu­cken habe ich immer Angst vor Gewalt, die so harm­los daher kommt, so neben­bei, und die mich dann die gan­ze Nacht beißt. Ande­re Leu­te schüt­teln es ab, aber mich ver­fol­gen die Bil­der wochen­lang. Es ist schreck­lich!” Jetzt habe ich es doch gesagt, und ich mei­ne, Ent­täu­schung auf dem Gesicht der The­ra­peu­tin zu erken­nen. “Ver­ste­he”, sagt sie.

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